Variable Glastrennwand in einer Bank

Wettbewerbsbeitrag, 1994

Der gläserne Raumteiler trennt außerhalb der Öffnungszeiten den Schalter- und Officebereich von dem jederzeit zugänglichen Eingangsfoyer mit den Selbstbedienungsautomaten.

Die durchlässige Wand

Die Trennwand sollte, vom SB-Bereich aus gesehen, keinen abgeschirmten und damit abweisenden Charakter besitzen, wie es zum Beispiel bei einer durchgehend sandgestrahlten Fläche der Fall wäre. Durch die Zahlen, die auf der sand-gestrahlten Fläche durchsichtig belassen werden, wäre eine partielle Durchsicht in die Office-Räume möglich, die Bank würde sich zum Teil auch nachts noch zeigen.

 

Die Zahlen

Der zweite Schwerpunkt sind die Zahlen an sich. Nichts ist mit einer Bank und der Finanzwelt mehr identifizierbar als Zahlen, da sie die regulierenden Parameter in den ökonomischen Prozessen bilden. Die Zahlen für sich sind neutral und wertfrei. Erst durch die Decodierung ihres Inhaltes erhalten sie eine Bedeutung, ob zum Beispiel jemand geschäftlich glänzend dasteht oder aber dem finanziellen Ruin entgegensieht. Im Zuge der (digitalen) Dienstleistungsgesellschaft und insbesondere im bargeldlosen Verkehr läßt sich die Virtualisierung von Werten besonders gut beobachten. Die gigantischen Mengen von Kapital, die täglich an den Börsen der Welt gehandelt und um den Globus geschickt werden, sind entmaterialisierte Zahlenkolonnen geworden (mit freilich sehr realem Werthintergrund und eventuell drastischen Folgen für die betroffenen Volkswirtschaften und deren Bevölkerung). Dabei ist die Codierung von Inhalten mittels Zahlen in unserem technischen Zeitalter mittlerweile in nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche eingezogen.Die Zusammensetzung der Ziffern in der Glaswand beruht auf realen Zahlen aus unterschiedlichsten Bereichen, wie der Nettoneuverschuldung aller Bundesbürger, das Sparvolumen, der Geldmenge M3, die Ziehung der Lottozahlen, die momentane Geburtenrate, die statistische Arbeitslosenzahl zu einem bestimmten Zeitpunkt, die berechnete DNA-Kette eines Menschen, der Weltrekord im 100-Meter-Lauf, die Kreisformel, sowie das geschätzte Alter unserer Erde und ihre Entfernung zur Sonne. Im Entwurf dienen diese Zahlen dann als Gestaltungsfiguren, die sowohl horizontal als auch vertikal über die Glasfläche verteilt sind und sich im Zentrum verdichten. Dabei überschneiden sich die Zahlen und bilden eine eigene, von der Typographie losgelöste Textur, die sich partiell nun nicht mehr als Ziffer identifizieren läßt. Sie verweist auf den sich beschleuningenden Transfer einer wachsenden Flut von Daten und damit auch Kapitalströmen, deren Überblick und Kontrolle sich zunehmend schwieriger gestalten.

 

Die NACKTEN Zahlen

Die Ziffern, die im Gegensatz zum sandgestrahlten Hintergrund klar und durchsichtig belassen und somit wirklich „nackt“ und körperlos sind, spielen dabei auf die gängige Redewendung „die nackten Zahlen zeigen, daß…“ an.Natürlich kann man ein solches Gestaltungskonzept, das durchaus auch kritisch verstanden werden darf, konträr zu einer werbemäßig entwickelten Corporate Identity eines Geldinstituts sehen. Welche Bank möchte schon gern riskieren, daß sich ihre Kunden als Nummer betrachtet fühlen (was auf Nachfrage von Bankkunden allerdings oft bestätigt wird). Nichtsdestotrotz sind gerade in der Finanzwelt letztendlich die „Nackten Zahlen“ das entscheidende Kriterium, und eine Bank, die sich nicht daran halten würde, wäre vermutlich eine schlechte. Insofern verlangt die Anwendung dieser Arbeit von einer Bank auch eine gehörige Portion Mut und Ehrlichkeit, sowie den Glauben an ihre Kunden, daß diese die Realitäten sehr wohl zu beurteilen in der Lage sind.