Eichamt Würzburg, 2005

Kunst + Bau-Wettbewerb 1. Preis, realisiert

Das Eichamt ist eine Aufsichtsbehörde, die auf Basis physikalischer Fundamental-Konstanten Eichwerte in den jeweiligen im Alltag gebräuchlichen Größen zur Verfügung stellt und über deren Umsetzung wacht. Das Prinzip zur Erstellung der Ausgangswerte (Si-Basiseinheiten) bildet dabei oft die wissenschaftlich äußerst präzise erstellte Teilung und Einteilung in kleinste und allerkleinste Einheiten.

Symbiose mit der Architektur
Da der verfügbare Raum für die Platzierung einer eigenen künstlerischen Arbeit – etwa in Form einer Skulptur – sehr begrenzt und durch die hinterhofähnliche Lage von der Öffentlichkeit auch schwer einsehbar war, entschied ich mich dafür, die Architektur selbst zu bespielen. Das Gebäude lässt sich durch seine Formensprache und die verwendeten Materialien durchaus als eine Art bautechnische Skulptur begreifen. In meinem Entwurf ging es darum, dieses Gebäude im Sinne seiner Nutzung zu beschreiben, es von weitem eben als Eichamt erkennbar zu machen. Der Entwurf besteht aus mehreren, unterschiedlichen Teilen, die sowohl auf der Außenseite als auch im Inneren des Gebäudes ausgeführt werden sollen.

Skala
Ähnlich wie bei Linealen werden die durchlaufenden, grauen Fassadenbänder mit Strichmarkierungen belegt. Die Skalen sind in einem geringfügig helleren Farbton aufgebracht, so dass sie sich sehr in das Bauwerk integrieren. An der Verblendung aus eloxiertem Aluminium im 4. Obergeschoss sind weitere Markierungen angebracht. Diese vertikale Skala, das Symbol des Grades 0 und die Nähe zum Himmel und damit dem Wetter deuten den Bezug zur Temperatur an, während die unteren, horizontalen Skalen eher Längen und Breiten wiedergeben.

 

 

 

 

 

Leuchtanzeige
In einem Teil des langgezogenen Fensterschlitzes ist dabei ein Streifen aus Farbeffektglas eingesetzt. Dieses Glas bildet eine Markierung auf der Skala ähnlich dem Strich einer Leuchtanzeige. Erscheint die Glasmarkierung von außen je nach Standpunkt orange bis gelbgrün, so ist sie von innen im Konferenzsaal im 4. Stock als helles Cyanblau zu sehen.
Dieses Cyan variiert bei immer flacher werdender Ansicht zu Tiefblau bis ins Purpur hinein. Auf dem über 2 m breiten Fensterstreifen sind somit eine Reihe von unterschiedlichen Farbtönen zu sehen.

 

 

„Was genau ist es denn jetzt?“
Gerade in einem Amt, das sich der genauesten Bestimmung verschrieben hat, befindet sich ironischerweise im Konferenzsaal ein Objekt, das sich auf den ersten Blick eben einer solchen Festlegung vehement entzieht.
Nachdem die sichtbare Farbe des Glases für den Betrachter vom jeweiligen Standort im Raum abhängig ist, ergibt sich somit für jeden Anwesenden eine Art eigenes, individuelles Maß.

Rote Text-Box
Im Erdgeschoss wird an den angrenzenden Glasflächen zum roten Eingangskubus ebenfalls eine Skala mattiert aufgesetzt. Im roten Durchgang sind auf den Wandflächen Zitate, Sprichwörter und Redensarten angebracht, in denen es um das Verhältnis von Mensch und Mass geht. Diese subjektiven Textfragmente bilden einen aufschlussreichen Kontrast zu den neutral skalierten und numerischen Werten des Eichamtes. Menschen wollten zu allen Zeiten ihr eigenes Verhalten und ihre Sicht der Dinge sprichwörtlich bemessen.
Der Entwurf gliedert sich damit in zwei Teilbereiche, außen die Benennung in der charakteristischen Zeichensprache des Eichamtes und im Innern die subjektive thematische Auseinandersetzung mit der Beziehung des Menschen zum Maß.

„Wo‘s herkommt …“ (Fundstelle aus dem Internet)
Das US-Standard-Eisenbahngleis ist 4 Fuß 8,5 Zoll breit (Abstand zwischen den Schienen). Das ist eine außerordentlich ungerade Zahl.

Warum wurde dieses Maß benutzt?

Weil das die Bauart war, mit der die Engländer Gleise bauten, und die US-Eisenbahnen wurden von englischen Experten aufgebaut.

Wieso haben die Engländer auf diese Art Gleise gebaut?

Weil die ersten Eisenbahngleise von den Leuten entworfen wurden, welche schon die mit Pferden bespannten Straßenbahnen (Vorgänger der Eisenbahn) gebaut hatten, und 4 Fuß 8,5 Zoll das Maß war, das sie benutzten.

Warum verwendeten sie dieses Maß?

Weil die Leute, welche die Straßenbahnen bauten, die gleichen Spannvorrichtungen und Hilfsmittel benutzten, welche auch für bestimmte Lastkarren benutzt wurden, die diesen Radabstand verwendeten. Also gut!! Wieso verwendeten die Lastkarren diesen ungeraden Radabstand? Hätten sie irgendeinen anderen Abstand verwendet, hätten diese Karren auf einigen alten, ausgefahrenen Langstreckenstraßen ständig Gebrechen gehabt, denn der Abstand der alten Radfurchen hatte diese Breite.

Wer baute diese alten, kaputten Straßen?

Die ersten Langstreckenstraßen in Europa wurden vom imperialen Rom für seine Legionen gebaut. Die Straßen werden seitdem benutzt.

Und die Furchen?

Die ursprünglichen Furchen, die jeder in seine Konstruktionen mit einbeziehen musste, da er sonst mit Schäden an seinen Wagen hätte rechnen müssen, waren von den römischen Streitwagen gebildet worden. Diese Streitwagen waren in Bezug auf den Radabstand alle gleich, sie waren alle für das imperiale Rom gebaut worden.

Jetzt haben wir die Antwort zur ursprünglich aufgeworfenen Frage: Das US-Standard-Eisenbahngleis von 4 Fuß 8,5 Zoll berechnet sich aus den ursprünglichen Spezifikationen für einen imperialen römischen Streitwagen. Spezifikationen und Bürokratie lebten für immer. Das nächste Mal, wenn Ihnen irgendeine Spezifikation übergeben wird und Sie sich wundern, welchem Pferdearsch das eingefallen ist, dann können Sie genau Recht haben. Die imperialen römischen Streitwagen wurden gerade breit genug gebaut, um hinter zwei Hinterteile von römischen Kriegspferden zu passen!
Und jetzt zum Überhammer dieser interessanten Geschichte: Haben Sie je das Space Shuttle an seiner Abschussrampe stehen sehen? Sind Sie bereit, die unendlichen Weiten des Universums zu erforschen? Beachten Sie die beiden großen Feststoffraketen zu beiden Seiten des großen Kraftstofftanks! Das sind die Booster, ohne die das Space Shuttle niemals abheben könnte. Die Booster werden in einer Fabrik in Utah gebaut.
Die Ingenieure, welche die Booster entwarfen, hätten es vorgezogen, diese ein bisschen dicker zu bauen. Aber das durften sie nicht, denn die fertigen Booster müssen mit der Eisenbahn bis zur Startrampe gebracht werden. Die Eisenbahnlinie verläuft durch Tunnel in den Bergen, und die Booster müssen eben auch durch diese Tunnel hindurch. Der Tunnel ist etwas breiter als ein Eisenbahngleis, und das Eisenbahngleis so breit wie zwei Pferdehinterteile. Und somit wurde eine Hauptspezifikation des höchstentwickelten Transportsystems der Welt durch die Breite eines römischen Pferdearsches festgelegt.